In den letzten Jahren haben Exchange Traded Funds (ETFs) einen regelrechten Boom erlebt und die Anlagelandschaft revolutioniert. ETFs bieten eine kostengünstige und flexible Möglichkeit, in eine breite Palette von Vermögenswerten zu investieren und haben sich sowohl bei Privatanlegern als auch bei institutionellen Investoren etabliert. Der erste ETF, der Toronto 35 Index Participation Fund, wurde 1990 an der kanadischen Börse eingeführt und wird heute als iShares S&P/TSX 60 Index ETF gehandelt. Seither haben ETF eine steile Aufwärtsentwicklung durchlaufen, die bis heute andauert. Weltweit steigt das Anlagevolumen in ETF laufend und täglich kommen neue Produkte dazu. Alleine an der Schweizer Börse, der SIX, wurden in dieses Jahr 191 neue ETF gelistet (Stand November) und über 1,5 Millionen Transaktionen getätigt (Quelle: SIX).
Doch wie genau entsteht ein ETF? Was steckt hinter der Struktur und den Mechanismen, die diese Anlageprodukte so attraktiv machen? ETF bestechen durch die «Einfachheit» des Endproduktes – die Herstellung allerdings ist ein komplexer Prozess, der zahlreiche Schritte und verschiedene Akteure umfasst. Dieser Beitrag beleuchtet den Weg eines ETFs von der ersten Idee bis zur Notierung an der Börse und zeigt auf, warum ETFs vielschichtiger sind, als es auf den ersten Blick scheint.
Zunächst nochmals das 1x1: ETF sind börsengehandelte Indexfonds. Das heisst, sie bilden in den meisten Fällen einen definierten (und meist anerkannten) Index passiv nach. Immer beliebter werden aktive ETF. Ein aktiver Indexfonds versucht, die positiven Aspekte der passiven Indexierung mit aktivem Portfoliomanagement zu kombinieren, in dem er bestehende oder vermeintliche Preisineffizienzen ausnutzt. Grundsätzlicher Nachteil des aktiven Managements ist die grössere Abweichung vom Index und das inhärente Risiko auch deutlich schlechter abzuschneiden. Natürlich verlangt der Manager ein höhere Gebühr für das aktive Management, was einer der Gründe ist, weshalb diese aus Emittentensicht interessant sind.
Der Index ist eine Sammlung von Wertpapieren einer klar definierten Anlageklasse. Der bekannteste Aktienindex in der Schweiz ist der SMI. Er beinhaltet die Aktien der 20 grössten Schweizer Unternehmen und wird von der SIX herausgegeben. ETFs werden im Unterschied zu Indexfonds an der Börse gehandelt. Der Preis (Kurs) wird durch Angebot und Nachfrage gebildet, der vom inneren Wert des Fonds (minim) abweichen kann. Im Unterschied dazu wird ein Indexfonds immer zum inneren Wert (häufig abzüglich eines sehr geringen Verwässerungsabschlags) herausgegeben.
Grafik: ETF Umsatz nach Produktanbieter
Quelle: SIX
Die vier zentralen Akteure und ihre Rollen
Um zu verstehen, wie ein ETF entsteht, sind die folgenden vier Akteure und ihre Rollen besonders wichtig:
Der Emittent ist die Firma (Fondsanbieter), die das Konzept des ETFs entwickelt, den Fonds auflegt und verwaltet. Die rechtliche Form eines ETF ist immer ein Fonds, dessen Rechtspersönlichkeit unabhängig vom Emittent ist. Der Emittent ist der «Betreiber». Bekannte Namen sind BlackRock (iShares), Vanguard oder State Street Global Advisors (SPDR). Es gibt aber auch zahlreiche kleinere Emittenten, die weniger in der Öffentlichkeit stehen wie WisdomTree, VanEck, etc. Sie legen die Anlagestrategie fest, insb. welcher Index zugrunde gelegt wird oder beispielsweise ob der ETF den Index physisch oder synthetisch replizieren soll. Der operative Betrieb eines passiven ETFs oder Indexfonds ist in aller Regel sehr viel günstiger als bei einem aktiven Fonds, da die Researchkosten für die Selektion der Einzeltitel entfallen.
Da die Gebühren eines ETFs und die Margen tiefer als bei einem aktiven Fonds sind, benötigt ein ETF ein grösseres Anlagevolumen, um profitabel zu sein ist. Die Emittenten resp. Fondsmanager sind stark reguliert und unterliegen strengen aufsichtsrechtlichen Auflagen, die je nach Domizil variieren. Das Vermögen wird treuhänderisch verwaltet und ist nicht Teil der Bilanz der jeweiligen Firma resp. des Emittenten oder Fondsmanagers.
Der Indexanbieter ist unabhängig vom Fondsmanager und stellt den Index zur Verfügung, den der ETF abbildet. Er sorgt dafür, dass der Index transparent, nachvollziehbar und investierbar bleibt. Grosse Indexanbieter sind beispielsweise MSCI (Morgan Stanley Capital International), S&P Dow Jones Indices oder FTSE (Financial Times Stock Exchange), wobei vor allem MSCI-Indizes häufig wegen ihrer hohen Lizenzgebühren im Fokus stehen. Für ETFs mit geringem Volumen sind solche Kosten nicht immer tragbar, weswegen viele Emittenten günstigere Alternativen zu MSCI und Co. nutzen, wie bspw. Solactive, um die ETF-Gebühren niedrig zu halten. Es ist wichtig, dass der Indexanbieter und der Fondsmanager nicht ein und dieselbe Firma sind. Damit werden Interessenkonflikte vermieden.
Die Depotbank verwahrt die Vermögenswerte des ETFs. Sie sorgt dafür, dass die Fondsvermögen sicher aufbewahrt werden und dass alle rechtlichen und regulatorischen Anforderungen erfüllt werden. Zu den Depotbanken zählen oft grosse Banken oder spezialisierte Finanzinstitute wie State Street.
Market Maker sind für einen möglichst liquiden und effizienten Handel an den Börsenplätzen verantwortlich. Sie stellen Kauf- und Verkaufspreise für die ETF-Anteile und stellen sicher, dass diese Preise den inneren Wert (NAV) des Fonds möglichst genau widerspiegeln. Market Maker halten oft eine gewisse Anzahl an ETF-Anteilen in ihrem Portfolio und können diese bei Bedarf einsetzen, um Preisschwankungen zu minimieren und den sogenannten „Spread“ – die Differenz zwischen Kauf- und Verkaufspreis – gering zu halten. Sie ermöglichen zudem den kontinuierlichen Handel mit ETF-Anteilen, indem sie auch grössere Positionen in kurzer Zeit aufnehmen oder verkaufen können, ohne dass sich der Kurs signifikant bewegt.
Vom Konzept zur Emission: Die Schritte zur Schaffung eines ETFs
Damit ein ETF entsteht, sind mehrere Prozessschritte notwendig.
Konzeptentwicklung
Der erste Schritt ist die Konzeption des ETFs, bei dem der Emittent festlegt, welche Anlagestrategie verfolgt werden soll, welcher Index als Referenz dient und für welche Zielanleger der ETF gedacht ist. Das Konzept umfasst auch die Entscheidung, ob der ETF physisch (durch den Erwerb der Indexwerte) oder synthetisch (durch Swaps) repliziert wird.
Zusammenarbeit mit dem Indexanbieter
Nachdem das Konzept festgelegt ist, sucht der Emittent einen geeigneten Indexanbieter, der den gewünschten Index zur Verfügung stellt. Der Index dient als Vorlage und soll möglichst genau abgebildet werden. Der Indexanbieter aktualisiert den Index regelmässig und veröffentlicht eventuelle Anpassungen, beispielsweise durch Unternehmensübernahmen.
Rechtliche Strukturierung und Auswahl der Depotbank
Nach der Auswahl des Index folgt die rechtliche Strukturierung des ETFs, bei der alle regulatorischen Anforderungen erfüllt werden müssen. Dazu gehört auch die Wahl einer Depotbank, die die ETF-Vermögenswerte verwaltet und sicherstellt, dass alle gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden. Dieser Strukturierungs- und Gründungsprozess ist sehr komplex und aufwändig, weshalb grössere Emittenten Fondsplattformen verwenden, die mittels standardisiertem Fond-Setup und Dritt-Dienstleistern (z.B. Revisoren, Rechtsberatungen) operieren und damit den Lancierungs-Prozess beschleunigen und die wiederkehrenden Kosten günstiger gestalten können.
Einbindung eines Market Makers
Ein Market Maker wird beauftragt, der Liquidität und Handelbarkeit des ETF sicherstellt. Diese Funktion ist entscheidend, da die ständige Verfügbarkeit der Anteile an der Börse es Anlegern ermöglicht, ETF-Anteile jederzeit zu kaufen oder zu verkaufen, ohne dass es zu grossen Abweichungen vom inneren Wert des Fonds kommt.
Zulassung und Börsennotierung
Bevor ein ETF offiziell an der Börse gehandelt werden kann, benötigt er eine Zulassung durch die zuständigen Aufsichtsbehörden. In der Schweiz sind dies die FINMA und die SIX. Erst wenn von beiden Seiten eine Bewilligung ausgesprochen wurde, wird der ETF offiziell emittiert. Das heisst der ETF wird gelistet, und Anleger können beginnen, Anteile zu kaufen und zu verkaufen.
Laufende Verwaltung und Corporate Actions
Nachdem der ETF auf dem Markt ist, übernimmt die Emittentengesellschaft die laufende Verwaltung und Überwachung des Fonds. Dazu gehört das regelmässige Rebalancing, um die Zusammensetzung des ETFs an den Index anzupassen. Der Emittent pflegt auch den Kontakt zu den Anlegern, informiert über Entwicklungen und sorgt dafür, dass alle regulatorischen Anforderungen weiterhin erfüllt sind.
ETF – einfach und komplex zugleich
Der Weg von der Konzeptentwicklung bis zur Börsennotierung eines ETFs zeigt, wie vielschichtig die Entstehung eines ETFs ist. Verschiedene Akteure – vom Emittenten über den Indexanbieter bis hin zu Depotbank und Market Maker – arbeiten eng zusammen, um den ETF strukturell und regulatorisch auf sichere Beine zu stellen. Trotz der vermeintlich einfachen Handhabung für den Anleger steckt hinter jedem ETF ein sorgfältig geplanter und kontrollierter Prozess, der sicherstellt, dass der ETF seine Anlagestrategie erfolgreich und transparent umsetzen kann.
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